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Die Gabe der Stiftung Marienschule

Als am 1.1.2018 die Schwestern vom Calvarienberg in Ahrweiler die Marienschule aus ihren Händen in die Trägerschaft der von ihnen ins Leben gerufenen Stiftung Marienschule übertrugen, vollzog sich ein Stiftungsakt, der im Hinblick auf seinen juristischen Vollzugscharaker eine rein verfahrenstechnische Angelegenheit zu sein scheint und sich sprachlich im Raum des formalen Understatements bewegt.

Die Schwestern selbst haben der rechtlichen Stiftungsurkunde ganz bewusst keine ihre eigene Rolle als Stiftende exponierende schriftliche Interpretation, kein erklärendes Textadditum, kein Wort, das dann auf sie selbst Bezug nehmen müsste, hinzugefügt. Die Schwestern erschienen und erscheinen verbal nicht selbsterklärend auf der offenen Szene der Stiftung. Es ging ihnen schlicht nicht darum, sich als Stifterinnen der Stiftung Marienschule nach vorne zu drängen, gleichsam vorbei an der Stiftung – ihrer Gabe an die jetzigen und die zukünftigen Generationen der Gemeinschaft der Marienschule, den Schülerinnen und Schülern, Eltern und Lehrerinnen und Lehrern.

Dass die Schwestern sich selbst nicht als Stiftende in Szene setzen, nicht in Anschlag bringen, was sie aufbringen an Lebenskraft, an ökonomischen Werten, an existentiellen Verzichtleistungen (und hier ist jede einzelne Schwester gemeint) und prononciert von sich selbst vor der Schulgemeinschaft in der Stifter-Rolle sprechen, folgt einem bestimmten Verständnis der Gabe, wie es Jacques Derrida vertritt.

Derrida verlangt von unserem Denken dessen, was Gabe ist, dass es sich aus den Kategorien der Ökonomie verabschiedet. Denn wie nehmen wir im Herkömmlichen eine Gabe wahr? Doch als das, was im Rahmen eines sublimierten Tauschgeschäfts verläuft, indem der Geber die Gabe irgendjemandem gibt, der nun von der Gabe weiß und sich als einen begreifen muss, dem gegeben wurde. Die Gabe erzeugt in der Logik des Tausches mit dem Geber auch einen Schuldner, die Gabe des einen ist die Schuld des anderen. Eine solche Schuld aber tilgt die Gabe als Gabe. Denn nur da ist Gabe, wo sie nicht Schuld des anderen ist, sondern es sie allein als unbedingte Gabe gibt. Unter der Bedingung der Schuld ist die Gabe nicht. Bereits die Gabe, die etwa zu einem Dank verpflichtet, zieht den Kreis des Tauschgeschäftes um die Gabe und hält sie in den Zwängen der Ökonomie fest.

Genau dieser Ökonomie des Tauschgeschäftes entziehen sich die Schwestern durch die Art und Weise, wie die Stiftung der Marienschule realisiert wurde. Sie formulieren nicht vor der Schulgemeinde, dass die Stiftung eine Gabe ist und sie die Gebenden dieser Gabe sind, sondern überlassen das Wort der juristischen Urkunde, die in gewisser Weise ein Dokument ohne Leser ist, weil sie im Schulleben nicht wahrgenommen wird. Phänomenologisch ist sie im Alltag unsichtbar, obwohl sie rechtlich notwendige Bedingung der Marienschule ist.

So ist die Stiftungsgabe selbst institutionell gegeben, aber kommunikativ nicht ermittelter und vermittelter Wert. Denn die Schwestern verzichten auf die Vermittlung ihres eigenen Geberinnen-Status, sie wollen nichts für sich aus der Stiftung gewinnen, es geht ihnen nicht um die Generierung eines Tauschwertes, den sie mit der Gabe zurückforderten. Es geht ihnen nicht um Dank, Anerkennung, Hochachtung- Werte, die sie für sich nicht reklamieren, sondern in der Gabe aufgegeben haben.

Genau das entspricht ihrer Gabe-Askese: Sie spannen der Logik des Marktes den Wert im Verzicht auf ihn aus, wenn sie ihn als un-vermittelte Gabe der Stiftung der Marienschule eingeben. Das Unvermittelte dieser Gabe ist das Unverhoffte des Umstands, dass Menschen wie die Schwestern etwas geben, für das sie nichts haben wollen, weil sie sich als Gebende in ihrer Zurückhaltung zum Verschwinden bringen. Die Schwestern verschwinden hinter ihrer Stiftungs-Gabe, die sie jenseits des Juristischen nicht als ihre Gabe deklarieren. Der Modus der Bescheidenheit der Geberinnen bringt aber die Gabe selbst in ihrer Loslösung vom Gebenden zum Verschwinden und lässt damit die Gabe frei in die ungebundene, an keinen Dank gekoppelte Annahme, bei der der Annehmende (die Schulgemeinde) selbst gar nicht weiß, dass er ein Beschenkter ist. Die, die die Gabe in Anspruch nehmen, die Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer und Eltern, ohne dass sie zu Dank auf den Gebenden hin verpflichtet worden wären, leben mit der Gabe, ohne an einen zu entrichtenden Preis zu denken. Dieses Jenseits der Tauschlogik ist der Ort der Stiftung der Marienschule. Und so ist die Marienschule ein Ort der Gabe im Sinne Derridas: „Damit es Gabe gibt, ist es nötig, daß der Gabenempfänger nicht zurückgibt, nicht begleicht, nicht tilgt, nicht abträgt […].“[1]

Letztlich darf die Gabe überhaupt nicht als Gabe erkannt werden, sie ist nur da, wo sie nicht erkannt wird. Sie ist nur da, wo sie phänomenologisch nicht ist. Die Gabe ist nicht, obwohl es sie gibt. In dieser logischen Anökonomie kann die Gabe ohne den Status der Gabe eines Gebenden nur sein. „Die bloße Identifikation der Gabe scheint sie zu zerstören. […] Die Gabe als Gabe dürfte letztlich nicht als Gabe erscheinen: weder dem Gabenempfänger noch dem Geber. Gabe als Gabe kann es nur geben, wenn sie nicht als Gabe präsent ist. Weder dem ‚einen’ noch dem ‚anderen’. Wenn der andere sie wahrnimmt, sie als Gabe gewahrt und bewahrt, wird die Gabe annulliert. Aber auch der, der gibt, darf davon nichts merken oder wissen, sonst genehmigt er sich schon an der Schwelle, sobald er die Absicht hat zu geben, eine symbolische Anerkennung […] und erstattet sich symbolisch den Wert dessen zurück, was er gerade gegeben hat, gerade gegeben zu haben glaubt oder gerade zu geben sich anschickt. […]“[2]

Derridas unmögliche Logik der Gabe, in der keiner von der Gabe weiß, weder der Gebende noch der Empfangende ist von den Schwestern vom Calvarienberg christlich aufgegriffen in ihrer Askese der Gabe und Gabekommunikation: Dass eine Schulstiftung Marienschule überhaupt möglich ist, ist zunächst dem Leben der Askese der Schwestern erwachsen. Askese der Gabe bedeutet aber darüber hinaus auch, dass die Schwestern sich selbst als Gebende gar nicht begreifen oder zu verstehen geben wollen. Das entspricht Angela Mericis Rat, „[…] die Armut hochzuschätzen, nicht nur in Hinblick auf materielle Dinge, sondern vor allem die Armut im Geiste, durch die der Mensch sein Herz von jeder Anhänglichkeit und Hoffnung auf geschaffene Dinge und auf sich selbst befreit. In Gott hat er alle Güter […]“ (Regel, Kapitel 10). Die von den Schwestern geschaffene Stiftung ist für sie keine Gabe, weil sie kein Gut sein soll, das dann wieder in die allzuweltliche Güterverkehrlogik des Tauschgeschäftes einginge und das Jenseits des Tauschens als die Anökonmie Gottes als ihren Ort aufgäbe. Jenseits Gottes gibt es kein Gut. Alles Rechnen mit der Stiftung als Gabegut verlöre die Logik der Armut selbst aus dem Blick, in der die Schwestern, die mit nichts rechnen als der Güter-Anökonomie Gottes, sich und ihr Leben selbst denken.

Wie aber können wir als Schulgemeinschaft der Gabe der Stiftung dann begegnen, darüber reden, wenn die Gabe ihre Spuren selbst verwischt? Vielleicht kann es nur wiederum die Gabe sein, die sich selbst nicht als Gegengabe tauschökonomisch für geboten hält, sondern ungeschuldet dankt im Heideggerschen Sinn, dass Danken und Denken zusammengehören. Dann bedeutete, die Stiftung der Schwestern zu denken, immer auch schon zu danken, ohne dass der Dank sich als Gegenwert der Gabe messen lassen wollte. Die Schwestern haben über die zeitlichen Grenzen ihrer Kongregation hinaus gedacht, als sie sich für die Schulstiftung entschieden. Die Stiftung ist also eine Grenzüberschreitung eigenen Lebens in die Zukunft anderer, – vor allem der Schülerinnen und Schüler. Auch vor diesem zeitlichen Hintergrund ist die Unbedingtheit der Gabe nur im Denken ihres Verschwindens sichtbar: jenseits der fixen Begriffslogik von Gabe, Geberinnen und Gabenempfängern zu begreifen.

Dem Ereignis der Stiftungsgabe nachzudenken wäre also nur im Bewusstsein weitgehender begrifflicher Fassungslosigkeit und im Modus des ungeschuldeten Dankes möglich, eines Dankes, der die christliche Perspektive menschlicher Verwiesenheit aufrisse,- der sich die Marienschule selbst auch in einer Zeit nach ihren Stifterinnen verdankt.

Dr. Ansgar Maria Hoff


[1] J. Derrida, Falschgeld. Zeit geben I, München 1993, S. 24.

[2] Ebd., S. 25f.